Die Skelette sehe ich im Schaufenster eines Restaurants. Sitzen da, mit diesem Weinglas. Ich sitze am Gärtnerplatz, auf dem Asphalt. Münchner Uniformen, der Hipster-Look. Als hätten sie sich verabredet, alle. Man wird in München bestraft, wenn man anders aussieht, sagt A., dann sagt sie von sich selbst: "Ich sehe auch so aus." "Und ich?", frage ich. "Du nicht. Du hast schon immer mehr nach Berlin ausgesehen." Wir sitzen da noch eine Weile, trinken Bier, essen Chips, Nüsse, ein Teenager-Abendessen, deshalb rauche ich auch vermutlich eine. Um acht leert sich der Platz, im vorauseilenden Gehorsam zur Ausgangssperre. Kurz vor neun radle ich durch die beinahe ausgestorbene Stadt. Höre eine Stimme im Ohr. Bin ausgegangen, quasi. Suche nach meiner Wut, finde wenig. Beginne einen Film, den mir meine Mutter empfohlen hat, mag den Film. Schlafe trotzdem mitten im Film ein. Am nächsten Morgen gehe ich laufen, vor dem Haus ein Krankenwagen. Der alte Mann, der unten, ist gestorben, alleine. Seine Frau starb vor einem Jahr, und jedes Mal, wenn ich mich begegnete, er ging nur selten hinaus, erzählte er mir das, vierzig Jahre, sagte er, vierzig Jahre Tag für Tag. Sie war mal Kindergartenerzieherin gewesen.
Lena Gorelik
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