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Lena Gorelik

Versatzstück 1 im neuen Jahr

Aktualisiert: 3. Juni 2019

Zuletzt ist das Leben zu einer Ansammlung von Versatzstücken geworden, so dass ich mir die sehr theoretische Frage stellen musste, ob diese Tatsache auch die Art zu schreiben verändern müsse, zwangsläufig. Eine gleichermaßen müßige wie geschwafelte Frage, weil de facto schrieb ich nicht mehr, oder nicht mehr so.


Ich dachte an einen Roman, dann dachte ich in Anfangssätzen. Dann dachte ich in Versatzstücken, die beliebig in eine Ordnung gebracht werden könnten, am Ende ergeben sie einen romanähnlichen Sinn. Etwas für geübte Leser, würde jemand sagen, der mir Bücher schenkt, eben Bücher für geübte Leser. Ich wehre mich bei dem Gedanken, dass das Lesen geübt werden muss, liebende Leser schlage ich vor, süchtige wäre zu platt, wir diskutieren ein wenig darüber, aber jedes Buch, das sie mir schenkt, ist zum Abschreiben gut. Die Versatzstücke könnte man auf einzelne Seite drucken, der Leser setzte sie nach Gusto zusammen, die Ordnung könnte endlich eine Unordnung sein. Jeder liest sein eigenes Buch. Es ist revolutionär oder dumm, es ist ein Konzept, und jeder Verlag sagte sicher: In der Herstellung leider zu teuer.


Anfangssätze, mögliche:


Zuletzt ist das Leben zu einer Ansammlung von Versatzstücken geworden.


Die Couch war rot, ich schlug, als ich mich hinlegte, die Beine übereinander, ich redete, ich würde gerne sagen: Nicht viel.


Es gab von ihr zwei, und wenn ich die Tür öffnete, dann wusste ich niemals, welche. Von mir gab es auch ständig zu viele.


Wie er da sitzt und zuhört, und sein Lachen ist unsicher, so wie es meine Worte sind.


Die Frage nach dem Subjekt in meinem Leben ist derzeit eine drängende, wer geschieht hier wem.


Heute ist der Tag abgegriffener Metaphern, sage ich, warum sage ich das nur.


Ich habe nicht: das Auto nicht getankt, nicht ans Telefon gegangen, nicht Nasenspray auf dem Tisch stehen lassen, ich habe nicht, ich habe nichts gegen die Vorwürfe gesagt, gegen ich habe nicht wie ich habe nicht gegen.


Sich verkriechen: Aus dem Leben heraus.


Wer zuerst lächelt, oder geschieht das zur selben Sekunde, und überhaupt aus demselben Grund,  beide lächeln sie, über einander, mehr als dass sie es miteinander tun, das ist die Freude, Kaffee steht auf dem Tisch, zwei Tassen.


Eines Tages hörte ich auf, verschwommenen Erinnerungen hinterher zu jagen, das ließ eine seeähnliche Ruhe im Bauch zu, und nur leise traute ich den Fragen hinterher.


Ich muss mich kon-zen-trie-ren, sagte der Sohn, so sagte er das, er teilte das für ihn schwierige Wort in Silben auf, der Vater trug einen Pullover in seiner Lieblingsfarbe, in einer, die die Mutter nicht verstand.


Ich sinke hinein, ohne jede Gegenmaßnahme, und auch ohne Gegenwehr.


Also gut, dann erobere ich eben die Welt. Und so fühlte sich das dann auch an: Dass ich die Welt eroberte.


Jede Sekunde, wollte ich sagen, jede Sekunde zählt, so einfach ist die Sache, ich sagte es dann lieber nicht.


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